Chaos als Bedingung zur Entstehung von Information in biologischen Systemen
„Nichts kann existieren ohne Ordnung. Nichts kann entstehen ohne Chaos.“
Albert Einstein
Liebe Freunde,
sicherlich werden sich einige gefragt haben, weshalb ich meinen Kongress im September den Titel „Chaos & Ordnung“ gegeben habe. Diese nur scheinbar gegensätzlichen Zustände wirken als eine elementare Struktur der kosmischen Evolution. Oberflächlich erscheint das Chaos zwar als ein Zustand vollständiger Unordnung oder Verwirrung und damit als ein Gegenbegriff zum Kosmos, dem griechischen Begriff für die (Welt-)Ordnung oder das Universum. Tatsächlich steckt hinter dem Chaos noch eine verborgene Ordnung.
Die Chaosforschung hat herausgefunden, dass strukturlose und scheinbar ordnungslose chaotische Dynamiken irgendwann zu völlig neuen Ordnungen und Regelmäßigkeiten führen. Chaos bedeutet daher nicht Zerfall und Sinnlosigkeit, sondern Evolution, Neuordnung, Innovation und (Vorraussetzung für) Strukturgebung. Die Entstehung und Entwicklung des Lebens ist ein chaotischer, dynamischer Vorgang, in dem zeitweise instabile Verhältnisse immer wieder zu neuen Ordnungen, bzw. Lebensformen, geführt haben. Diese neuen Ordnungen und Lebensformen wurden durch neue Instabilitäten gefährdet, bedroht und führten schließlich zum Ende vieler Arten, um wiederum neuen Lebensformen Platz zu machen. So hat sich das Leben anfangs erst mühsam und zaghaft in primitiver Form über unglaublich lange Zeiträume entwickelt, um sich dann explosionsartig zu entfalten. Hier entstanden zahllose Lebensentwürfe, von denen sich nur einige bewährten und überlebten, während viele andere ausstarben, nicht weil sie nicht lebensfähig gewesen wären, sondern weil das Spiel der instabilen Dynamik ein kontinuierlicher Prozess des Kommens und Gehens, des Werdens und Vergehens ist.
Der griechischen Mythologie nach, war Chaos der Urzustand des Bestehens. Chaos war die ursprüngliche Leere – eine dunkle, leise, formlose, endlose Eigenartigkeit ohne jegliche Spur von Leben. In der Religionswissenschaft wird der Begriff „Chaos“ im Rahmen der Beschreibung zweier unterschiedlicher Weltentstehungskonzepte verwendet:
a) Der chaotische Urzustand wird als Urflut oder Urdunkelheit beschrieben, aus der sich eine neue (oft mythische) Größe entwickelt.
b) Der chaotische Urzustand wird als Verschmelzung von Dingen, z.B. von Himmel und Erde, dargestellt, die voneinander getrennt werden müssen, um die Weltentstehung einzuleiten (Eliade, 1957, 1640f).
Aus Sicht der Naturwissenschaft wird von einer Wechselwirkung zwischen Chaos und Ordnung gesprochen. So war beispielsweise die veränderte Sonnenstrahlung verantwortlich dafür, dass geordnete Strukturen entstanden. Und nicht nur das. Im Laufe der Evolution entstanden Strukturen immer höherer Ordnung: vom Einzeller zum Vielzeller, vom Pantoffeltierchen zum Fisch, vom Primaten zum Menschen. Andererseits sehen die Thermodynamischen Gesetze etwas ganz anders vor. Sie beschreiben die Wahrscheinlichkeit, mit der sich ein System verändert, dem Wärme zugeführt wird: welche chemischen Reaktionen ablaufen, wie sich z.B. Druckverhältnisse ändern. Der 2. Thermodynamische Hauptsatz lautet, dass solche Systeme bei Wärmezufuhr zur Entropie (Tendenz in der unbelebten Welt zu immer größerer Unordnung) neigen und dass die Entropie zunimmt. Betrachten wir etwa einen Salzkristall, ist sein Aufbau sehr geordnet. Sobald wir ihn aber erwärmen, schmilzt er. Die innere Ordnung löst sich auf. Ohne auf weiter Details einzugehen, kann man sagen: Der Wahrscheinlichkeit nach neigen thermische Wirkungen zu fortschreitender Unordnung, zu Entropie, zu Chaos. So formulierte es auch der Nobelpreisträger Erwin Schrödinger. Entropie ist für ihn generell ein Zeichen fehlender Ordnung in Systemen. Umso mehr beschäftigte ihn das Geheimnis der Evolution. Sie geschah durch stete Wärmezufuhr der Sonne. Dennoch herrschte in der Zell-DNA keine Unordnung. Im Gegenteil: Jede neue Entwicklungsstufe des Genoms blieb geordnet. Es gelang den Zellen sogar, fortlaufend höhere Ordnungen auszubilden – höhere Entwicklungsstufen, höhere Lebewesen. Obwohl die wärmende Sonne beteiligt ist? Nein, weil sie beteiligt ist. Neben der Wärme kommt nämlich die Information hinzu. Und die ordnet die Zellstruktur, auch bei Mutationen. Die elektromagnetischen Informationen der Sonne und rufen Ordnung hervor. Sie ermöglichen die Entwicklung zu höherer Ordnung, bis hin zum Menschen.
Ein tieferes Verständnis über die elementare Bedeutung von Chaos und Ordnung erbrachte uns der Physiochemiker Illya Prigogine. Der Nobelpreisträger Illya Prigogine unterscheidet zwei Arten von Chaos und sieht im dissipativen Chaos eine Schlüsselrolle, „… [es] ist nämlich ein Mittelding zwischen dem reinen Zufall und der redundanten Ordnung“, und damit die Bedingung zur Entstehung von Information in biologischen Systemen.
Liebe Freunde, es sind die Informationen, die zu den Baugesetzen der Welt gehören (Information: von lateinisch in-formare ‚formen‘, ‚bilden‘, ‚gestalten‘, ‚ausbilden‘‚sich etwas vorstellen‘). Informationen, die von einem beseelten Geist in die Welt (den Kosmos) getragen werden. Die kosmische Evolution ist eine ständige Erweiterung an Information, die final dazu führt, uns in unserer Göttlichkeit wiederzuerkennen. Natürlich gehört hierzu auch das verstehen der eigentlichen Bedeutung von Chaos & Ordnung…,
Me Agape Euer Dieter Broers